©AdobeStock/Anna Fedorova
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Verfahrensordnung der Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen der Sächsischen Landesärztekammer



(in der Fassung der Änderungssatzung vom 16. November 2004)

Aufgrund von § 8 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 6 des Sächsischen Heilberufekammergesetzes vom 24. Mai 1994 (SächsGVBl. S. 935), zuletzt geändert mit Artikel 17 des Gesetzes vom 28. Juni 2001 (SächsGVBl. S. 426, 428) hat die Kammerversammlung am 15. Juni 2002 die folgende Verfahrensordnung der Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen der Sächsischen Landesärztekammer beschlossen, geändert durch Beschluss der 31. Kammerversammlung am 13. November 2004:

§ 1 Einrichtung, Aufgaben

(1) Die Sächsische Landesärztekammer hat eine unabhängige Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen errichtet. Die Gutachterstelle kann wegen des Vorwurfs fehlerhafter ärztlicher Behandlung angerufen werden.
(2) Aufgabe dieser Gutachterstelle ist es, durch objektive Begutachtungen ärztlichen Handelns Patienten die Durchsetzung begründeter Ansprüche und Ärzten die Zurückweisung unbegründeter Vorwürfe zu erleichtern.
(3) Die Gutachterstelle kann erst angerufen werden, wenn der Haftpflichtversicherer zu dem Arzthaftungsanspruch Stellung genommen hat.
(4) Durch das Verfahren bei der Gutachterstelle wird der Rechtsweg nicht ausgeschlossen. Das Verfahren ist weder ein Schiedsverfahren im Sinne der Zivilprozessordnung noch eine andere außergerichtliche Streitbeilegung im Sinne des Gesetzes zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung.
(5) Die Gutachterstelle wird nicht bei geltend gemachten Ansprüchen gegen den Staat tätig, es sei denn, für die in Anspruch zu nehmende Einrichtung besteht eine Haftpflichtversicherung. Die Anrufung ist unzulässig, wenn in gleicher Sache ein zivilrechtliches Verfahren beantragt wurde, anhängig ist oder bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Die Gutachterstelle wird ebenfalls nicht tätig, wenn in gleicher Sache ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren oder ein Strafverfahren anhängig ist. Die Gutachterstelle setzt das Verfahren aus, solange ein solches Verfahren in gleicher Sache anhängig ist.

§ 2 Besetzung der Gutachterstelle

(1) Die Gutachterstelle ist mit einem Vorsitzenden, der Arzt sein soll, und einem Juristen besetzt. Es können jeweils auch Stellvertreter bestellt werden.
(2) Die Bestellung des Vorsitzenden und der Mitglieder und ihrer Stellvertreter erfolgt durch den Vorstand der Sächsischen Landesärztekammer für die Dauer einer Wahlperiode.
(3) Die Mitglieder der Gutachterstelle sind bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig und an Weisungen nicht gebunden. Sie sind nur ihrem Gewissen und ihrer ärztlichen oder rechtlichen Überzeugung verantwortlich. Sie sind zur Vertraulichkeit und Verschwiegenheit verpflichtet.
(4) Der Vorstand beruft für seine Wahlperiode erfahrene Ärzte verschiedener Fachrichtungen für den Beirat der Gutachterstelle (Sachverständigenrat). Dem Beirat können Vorgänge zur interdisziplinären Erörterung vorgelegt werden.

§ 3 Antragsteller

(1) Antragsberechtigt sind der Patient, der behandelnde Arzt oder die Haftpflichtversicherung des Arztes. Sofern ein Krankenhausträger für die Tätigkeit eines Arztes in Anspruch genommen werden soll, ist dieser auch antragsberechtigt.
(2) Ist ein Haftpflichtversicherer nicht beteiligt, so kann die Gutachterstelle bei Einverständnis aller Parteien angerufen werden, sofern diese verbindlich gegenüber der Gutachterstelle erklären, wer die Kosten für die Erstellung des Gutachtens übernimmt. Die Gutachterstelle kann einen Kostenvorschuss verlangen.

§ 4 Verfahren

(1) Das Verfahren wird mit einem formlosen schriftlichen Antrag(öffnet in neuem Fenster) eingeleitet, der eine Darstellung des Sachverhaltes aus der Sicht des Antragstellers enthalten muss. Die behaupteten haftungsbegründenden Tatsachen für eine Verletzung der Regeln der ärztlichen Sorgfalt sind möglichst schlüssig darzulegen.
(2) Die Durchführung des Verfahrens setzt das Einverständnis aller Beteiligten voraus. Der Patient muss den behandelnden Arzt oder die behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht(öffnet in neuem Fenster) entbinden.
(3) Unter Einbeziehung des Gutachtens gibt die Gutachterstelle abschließend eine mit Gründen versehene Stellungnahme darüber ab, ob ein Anspruch dem Grunde nach aufgrund einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung besteht oder nicht. Die Stellungnahme ergeht schriftlich und ist zu begründen. Das Gutachten wird ebenfalls übersandt.
(4) Das Verfahren vor der Gutachterstelle wird grundsätzlich schriftlich durchgeführt.
(5) Sind nach Art, Dauer und Auswertung nur geringfügige Beeinträchtigungen vorhanden oder zu erwarten, kann die Gutachterstelle den Antrag mit der Begründung zurückweisen, dass die Durchführung eines Verfahrens wegen des damit verbundenen Aufwandes zur Sachaufklärung nicht vertretbar ist.

§ 5 Begutachtung

(1) Zur Feststellung, ob eine schuldhafte fehlerhafte ärztliche Behandlung bei dem Patienten einen Gesundheitsschaden verursacht hat, ist in der Regel von einem, erforderlichenfalls von einem weiteren Sachverständigen (Zweitgutachter) ein Gutachten einzuholen. Die Gutachterstelle bestimmt den Gutachter.
(2) Kommt die Gutachterstelle zu dem Ergebnis, dass ein vorliegendes Gutachten zur Beurteilung nicht ausreicht, so ruft sie den Sachverständigenrat (§ 2 Abs. 4) an. In mündlicher Beratung wird der Sachverhalt interdisziplinär erörtert. Ein Anwesenheitsrecht besteht für die Verfahrensbeteiligten nicht. Das Ergebnis der mündlichen Erörterung wird den Beteiligten schriftlich bekannt gegeben.

§ 6 Kosten

(1) Für die Beteiligten ist das Verfahren bei der Gutachterstelle mit Ausnahme des Verfahrens nach § 3 Abs. 2 kostenlos. Sie tragen jedoch ihre eigenen Kosten einschließlich der Kosten ihrer Rechtsvertretung selbst.
(2) Mit Zustimmung zum Verfahren erklären die Haftpflichtversicherer ihre Bereitschaft, im Verfahren vor der Gutachterstelle anfallenden Gutachterkosten zu tragen. Sind mehrere Ärzte oder Krankenhäuser beteiligt, werden die Kosten anteilig auf die Haftpflichtversicherer umgelegt.
(3) Die Entschädigung der Sachverständigen richtet sich nach dem Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz [JVEG]) in der jeweils gültigen Fassung. Die Angemessenheit der Entschädigung wird von der Gutachterstelle geprüft.
(4) Die Sächsische Landesärztekammer stellt für die Tätigkeit der Gutachterstelle die notwendigen personellen und sächlichen Mittel zur Verfügung.

§ 7 Übergangsbestimmungen

Das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1969 (BGBl. I S. 1756), zuletzt geändert durch Artikel 1 Abs. 5 des Gesetzes vom 22. Februar 2002 (BGBl. I S. 981) sowie Verweisungen auf diese Gesetze sind weiter anzuwenden, wenn der Auftrag an den Sachverständigen, Dolmetscher oder Übersetzer vor dem 1. Juli 2004 erteilt oder der Berechtigte vor diesem Zeitpunkt herangezogen worden ist. Satz 1 gilt für Heranziehungen vor dem 1. Juli 2004 auch dann, wenn der Berechtigte in der selben Rechtssache auch nach dem 1. Juli 2004 herangezogen worden ist.

§ 8 In-Kraft-Treten

Diese geänderte Verfahrensordnung tritt am 1. Juli 2004 in Kraft.


Dresden, den 13. November 2004

Prof. Dr. med. habil. Jan Schulze
Präsident

Dr. med. Lutz Liebscher
Schriftführer