Tätigkeitsbericht der Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen 2010

Die Gutachterstelle hat im Jahre 2010 ihre Arbeit planmäßig fortgesetzt. Erstmals seit Bestehen der Gutachterstelle lag die Zahl der eingegangenen Anträge über 400. Damit gibt es nach dem deutlichen Rückgang der Zahl der Anträge im Jahr 2005 seit 2006 kontinuierlich steigende Antragszahlen. Das lässt für 2011 eine deutlich höhere Zahl eingeleiteter Begutachtungsverfahren erwarten.
Seit dem 01.01.2010 ist Herr Kirchmayer das juristische Rückgrat der Gutachterstelle; der Wechsel von Herrn Schaffer zu Herrn Kirchmayer wurde problemlos und ohne Leistungsverlust geschafft.

Die Verteilung der Anträge bzw. der Begutachtungsverfahren auf die verschiedenen Fachdisziplinen sowie auf ambulante und stationäre Behandlungseinrichtungen ist in der bereits aus den Vorjahren bekannten Form diesem Bericht angefügt. Wie in den vergangenen Jahren betreffen etwa 2/3 der Begutachtungsverfahren stationäre Behandlungen und etwa 1/3 ambulant ausgeführte Behandlungen. Auch die Verteilung der Verfahren auf die Fachdisziplinen zeigt die bereits hinlänglich bekannte Tatsache, dass bei vergleichbaren Fallzahlen die schneidenden Disziplinen häufiger mit dem Vorwurf einer fehlerhaften Behandlung konfrontiert werden als die eher konservativ ausgerichteten Fachgebiete.Die Zahl der Verfahren, in denen die Gutachterstelle dem Versicherer eine Schadensregulierung empfohlen hat (dies sind die Verfahren, in denen eine Fehlbehandlung zu gesundheitlichen Konsequenzen für den Patienten geführt hat), lag im Jahre 2010 mit 25,8 Prozent wieder deutlich höher als im Jahre 2009 (21,9 Prozent); aber wiederum in der seit vielen Jahren bekannten Größenordnung. Der Trend der Jahre 2006 bis 2008, in denen steigende Anerkennungszahlen registriert wurden, hat sich also erfreulicherweise nicht fortgesetzt.
Diese Ergebnisse unserer Arbeit gehen wie in den letzten Jahren in die bundesweite Statistik der Gutachterkommissionen/Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer ein, die auch im Jahre 2010 wieder ein großes Interesse der Medien gefunden hat.

Das inhaltliche Herz unserer Arbeit ist die Tätigkeit der für unsere Gutachterstelle arbeitenden Gutachter. All den Kollegen, die sich neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit dieser Aufgabe mit Fleiß und Engagement stellen, gilt unser ganz besonderer Dank. Es ist ganz gewiss schwierig, das richtige und ausgewogene Maß zu finden, das diese Tätigkeit verlangt. Im Zeitalter der Leitlinien ist man versucht anzunehmen, dass diese Aufgabe leichter wird. Das Gegenteil ist der Fall. Keine Leitlinie bildet die Realität in ihrer Vielfalt und die Besonderheiten des einzelnen Falles ab und so wird das ausgewogene Urteil, das auch die Leitlinie, aber auch deren systematisierende Verkürzung der Realität berücksichtigt, umso wichtiger.
Wir haben uns auch im Jahr 2010 bemüht, unseren Gutachterstamm planmäßig auszubauen. Die Landesgrenzen werden dabei immer durchlässiger, wobei wir unser Prinzip, sächsische Angelegenheiten in Sachsen bewerten zu lassen, keinesfalls aufgegeben haben.
In den besonders schwierigen und fachübergreifenden Bewertungen ist unser Sachverständigenrat, der auch in 2010 planmäßig quartalsweise getagt hat, immer eine wesentliche Hilfe.
Ein neuer Aspekt erschwert in gewissem Umfang die Zusammenarbeit mit den Haftpflichtversicherern. In zunehmendem Maße übertragen die Versicherer die Abwicklung von Streitfällen den Anwaltskanzleien. Während zwischen Versicherern und Gutachterstellen immer Konsens herrschte, dass diese Tätigkeit befriedend auf das Arzt-Patienten-Verhältnis einwirken soll, geht dieses Verständnis zu Lasten formal juristischer Vorgehensweisen zunehmend verloren.
Wir werden diese Thematik auf der Jahrestagung 2011 der Ständigen Konferenz „Gutachterkommissionen/Schlichtungsstellen” der Bundesärztekammer ansprechen. Aus anderen Gutachterstellen liegen ähnliche Erfahrungsberichte vor.
Auch in diesem Jahr möchte ich den beiden Sachbearbeiterinnen unserer Gutachterstelle danken. Es ist ein erheblicher Aufwand, die zunehmend größer werdende Aktenflut und den umfangreicher werdenden Schriftverkehr zu organisieren und dazu in endlosen Telefonaten den Frust vermeintlich oder tatsächlich nicht sachgerecht behandelter Patienten auszuhalten.

Dr. Rainer Kluge, Miltitz, Vorsitzender
(veröffentlicht im „Ärzteblatt Sachsen” 6/2011)