Page 18 - Ärzteblatt Sachsen, September-Ausgabe 2025
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ORIGINALIE



        Akuttherapie des Myokardinfarkts

        gezielt steuern





        Risikostratifizierte Behandlung bei Myokardinfarkt mit kardiogenem Schock oder
        nach außerklinischer Reanimation




        A . Freund

        Jährlich  werden  in  Deutschland  circa
        200 .000 vollstationäre Fälle mit der
          Diagnose akuter Myokardinfarkt ver-
        zeichnet . In dessen Folge versterben
        jährlich circa 48/100 .000 Einwohner [1] .
        Während die Mortalität des unkompli-
        zierten Myokardinfarkts bei unter zehn
        Prozent liegt, steigt diese überpropor-
        tional, wenn der Infarkt durch einen
        kardiogenen Schock oder einen außer-
        klinischen Herz-Kreislauf-Stillstand
        kompliziert wird [2, 3] .                                                                               © 2020 Terelyuk/Shutterstock


        Kardiogener Schock
        Circa zehn Prozent der Infarktpatien-
        tinnen und -patienten entwickeln einen
        kardiogenen Schock . Pathophysiolo- und beginnender oder fortgeschritte- kein Modell eine perfekte Vorhersage-
        gisch beruht dieser in den meisten Fäl- ner Organdysfunktion bis hin zum  kraft .  Prospektive  Studien,  die eine
        len auf einem akuten Linksherzversa- Kreislaufkollaps mit der Notwendigkeit  Score-basierte Therapielenkung unter-
        gen mit konsekutivem Abfall des Herz- einer Reanimation . Eine differenzierte  suchen, stehen bislang aus . In der Zu-
        zeitvolumens . Die resultierende syste- Einschätzung der Schwere des Schocks  kunft  wird ebenso die Identifizierung
        mische Hypoperfusion löst eine kom- und des individuellen Risikos ist die  weiterer Risikomodifikatoren ein inter-
        pensatorische Vasokonstriktion und  Grundlage der zielgerichteten Thera- essantes Forschungsgebiet bleiben,
        Volumenretention  aus,  was  die  myo- piesteuerung, vor allem im Hinblick auf  auch im Hinblick auf therapeutische
        kardiale Belastung weiter steigert – ein  hochinvasive Therapieverfahren . Im  Interventionen . So konnten wir bereits
        sich selbst verstärkender Teufelskreis,  Klinikalltag etabliert sich zunehmend  zeigen, dass eine klonale Hämatopoese
        oft bezeichnet als „Schockspirale“ . Eine  die SCAI-Klassifikation als Schwere- von unbestimmtem Potenzial mit einer
        systemische inflammatorische Reak- gradeinteilung des kardiogenen Schocks  erhöhten Sterblichkeit im kardiogenen
        tion trägt zusätzlich zur Progression  (Grafik) [5] . Daneben stehen verschie- Schock verbunden ist [10] .
        der Organdysfunktion bei . Die Mortali- dene Risikoprädiktionsmodelle zur Ver-
        tät  des  infarktbedingten  kardiogenen  fügung, deren Diskriminierungswerte  Therapiestrategien
        Schocks liegt in den letzten zwei Jahr- akzeptabel sind [6-8] . Mit dem von  bei kardiogenem Schock
        zehnten unverändert bei 30 bis 50 Pro-  unserer Arbeitsgruppe entwickelten  Die einzig verfügbare evidenzbasierte
        zent [2, 4] .                      „CLIP-Score“,  basierend  auf den  Para- Therapie für alle Patientinnen und Pati-
                                            metern Cystatin C, Laktat, Interleukin-6  enten besteht in der frühzeitigen Re-
        Klinisch präsentieren sich die Patienten  und NT-proBNP, steht mittlerweile ein  vaskularisierung  des  infarktverursa-
        heterogen mit Zeichen der akuten  sehr einfacher und gut validierter Score  chenden Herzkranzgefäßes, vornehm-
        Herzinsuffizienz mit respiratorischer  zur Mortalitätsprädiktion zur Verfü- lich durch eine interventionelle The-
        Insuffizienz, peripherer Hypoperfusion  gung [9] . Jedoch ermöglicht weiterhin  rapie (Stent-Implantation) [11] . Eine


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