Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten im Fahrerlaubniswesen

Das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit teilt uns mit, dass es Probleme bei der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften bei der Durchführung von Untersuchungen und der Erstellung der Gutachten im Fahrerlaubniswesen gibt. Im gesamten Spektrum der Beurteilung der Kraftfahreignung sind Fachärzte mit verkehrsmedizinischer Qualifikation, Ärzte des Gesundheitsamtes oder der öffentlichen Verwaltung, Arbeitsmediziner, Betriebsmediziner, Augenärzte sowie Ärzte der Begutachtungsstellen für Fahreignung tätig. Gleichgültig, um welche Art der Begutachtung es sich handelt (z.B. körperliche Mängel, Alkoholabhängigkeit, Zweifel am Sehvermögen oder medizinisch-psychologische Begutachtung) und welcher Arzt die Begutachtung durchführt, sind die Untersuchung und die Erstellung der Gutachten immer nach den Vorschriften der Anlage 15 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) durchzuführen.
Diese Vorschriften sind für jeden ärztlichen Gutachter zwingendes Recht. Sie sind veröffentlich im Bundesgesetzblatt 1998 Teil I, Seite 2214 ff.

Diese Vorschriften bezwecken zunächst einmal, dass keine sogenannten „Dreizeiler” über fahreignungsrelevante gesundheitliche Beeinträchtigungen erstellt werden. Darüber hinaus dienen diese Vorschriften der Straßenverkehrssicherheit. Denn nur wenn die in der Anlage 15 FeV genannten Kriterien eingehalten sind, ist es nachvollziehbar, ob eine gesundheitliche Beeinträchtigung eine Relevanz zur Kraftfahreignung aufweist. Anderenfalls kann ein Gutachten keine Entscheidungshilfe für die Fahrerlaubnisbehörde sein. Sofern also die Vorschriften der Anlage 15 FeV bei der Begutachtung nicht eingehalten sind, wären die Fahrerlaubnisbehörden gezwungen, entsprechende Gutachten zurückzuweisen.
Im Folgenden die Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten:

Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten

Anlage 15 FeV 2.1 (zu § 11 Abs. 5)

1. Die Untersuchung ist unter Beachtung folgender Grundsätze durchzuführen:

a) Die Untersuchung ist anlassbezogen und unter Verwendung der von der Fahrerlaubnisbehörde zugesandten Unterlagen über den Betroffenen vorzunehmen. Der Gutachter hat sich an die durch die Fahrerlaubnisbehörde vorgegebene Fragestellung zu halten.
b) Gegenstand der Untersuchung sind nicht die gesamte Persönlichkeit des Betroffenen, sondern nur solche Eigenschaften, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die für die Kraftfahreignung von Bedeutung sind (Relevanz zur Kraftfahreignung).
c) Die Untersuchung darf nur nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen vorgenommen werden.
d) Vor der Untersuchung hat der Gutachter den Betroffenen über Gegenstand und Zweck der Untersuchung aufzuklären.
e) Über die Untersuchung sind Aufzeichnungen anzufertigen.
f) In den Fällen der §§ 13 und 14 ist Gegenstand der Untersuchung auch das voraussichtliche künftige Verhalten des Betroffenen, insbesondere ob zu erwarten ist, dass er nicht oder nicht mehr ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln/Arzneimitteln führen wird. Hat Abhängigkeit von Alkohol oder Betäubungsmitteln/Arzneimitteln vorgelegen, muss sich die Untersuchung darauf erstrecken, dass die Abhängigkeit nicht mehr besteht. Bei Alkoholmissbrauch, ohne dass Abhängigkeit vorhanden war oder ist, muss sich die Untersuchung darauf erstrecken, ob der Betroffene den Konsum von Alkohol einerseits und das Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr andererseits zuverlässig voneinander trennen kann. Dem Betroffenen kann die Fahrerlaubnis nur dann erteilt werden, wenn sich bei ihm ein grundlegender Wandel in seiner Einstellung zum Führen von Kraftfahrzeugen unter Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln/Arzneimitteln vollzogen hat. Es müssen zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis Bedingungen vorhanden sein, die zukünftig einen Rückfall als unwahrscheinlich erscheinen lassen. Das Gutachten kann empfehlen, dass durch geeignete und angemessene Auflagen später überprüft wird, ob sich die günstige Prognose bestätigt. Das Gutachten kann auch geeignete Kurse zur Wiederherstellungder Kraftfahreignung empfehlen.
g) In den Fällen des § 2a Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 5 oder des § 4 Abs. 10 Satz 3 des Straßenverkehrsgesetzes oder des § 11 Abs. 3 Nr. 4 oder 5 dieser Verordnung ist Gegenstand der Untersuchung auch das voraussichtliche künftige Verhalten des Betroffenen, ob zu erwarten ist, dass er nicht mehr erheblich oder nicht mehr wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen oder gegen Strafgesetze verstoßen wird. Es sind die Bestimmungen von Buchstabe f Satz 4 bis 7 entsprechend anzuwenden.

2. Das Gutachten ist unter Beachtung folgender Grundsätze zu erstellen:

a) Das Gutachten muss in allgemeinverständlicher Sprache abgefasst sowie nachvollziehbarund nachprüfbar sein. Die Nachvollziehbarkeit betrifft die logische Ordnung (Schlüssigkeit) des Gutachtens. Sie erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde und die Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen. Die Nachprüfbarkeit betrifft die Wissenschaftlichkeit der Begutachtung. Sie erfordert, dass die Untersuchungsverfahren, die zu den Befunden geführt haben, angegeben und, soweit die Schlussfolgerungen auf Forschungsergebnisse gestützt sind, die Quellen genannt werden. Das Gutachten braucht aber nicht im einzelnen die wissenschaftlichen Grundlagen für die Erhebung und Interpretation der Befunde wiederzugeben.
b) Das Gutachten muss in allen wesentlichen Punkten insbesondere im Hinblick auf die gestellten Fragen (§ 11 Abs. 6) vollständig sein. Der Umfang eines Gutachtens richtet sich nach der Befundlage. Bei eindeutiger Befundlage wird das Gutachten knapper, bei komplizierter Befundlage ausführlicher erstattet.
c) Im Gutachten muss dargestellt und unterschieden werden zwischen der Vorgeschichte und dem gegenwärtigen Befund.

3. Die medizinisch-psychologische Untersuchung kann unter Hinzuziehung eines beeidigten oder öffentlich bestellten oder vereidigten Dolmetschers oder Übersetzers, der von der Begutachtungsstelle für Fahreignung bestellt wird, durchgeführt werden. Die Kosten trägt der Betroffene.

4. Wer eine Person in einem Kurs zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung oder in einem Aufbauseminar betreut, betreut hat oder voraussichtlich betreuen wird, darf diese Person nicht untersuchen oder begutachten.

Als weiterführende Literatur empfohlen:

  1. Begutachtungsleitlinie für Kraftfahrereignung<br/>    Herausgeber: Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch-Gladbach, ISBN 3-89701-464-5
  2. Begutachtungsleitlinie für Kraftfahrereignung - Kommentar<br/>    Herausgeber: Kirschbaum-Verlag Bonn, ISBN 3-78121-525-3