Page 28 - Ärzteblatt Sachsen, September-Ausgabe 2025
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MEDIZINGESCHICHTE
180 Jahre Medizinalreform in Sachsen
Eine Schrift aus dem Jahr 1845: fünf Abschnitte, fünf Verfasser
Bei der Arnoldschen Buchhandlung in Warnatz (Abb . 3), der III . von Dr . med . Hauptklassen unterteilt: Ärzte und
Dresden und Leipzig erschien 1845 Robert Küttner, der IV . von Dr . med . Wundärzte . Bei den Ärzten gab es fünf,
die Schrift „Zur Reform der Medizinal- Bernhard Baruch Hirschel (Abb . 4) und bei den Wundärzten drei Klassen . Die
verfassung Sachsens . Ansichten und der V . von Dr . med . Eduard Zeis ver- promovierten Kollegen besaßen das
Wünsche ausgesprochen von dem fasst (Abb . 5) [5–7] . Recht zur inneren und chirurgischen
ärztlichen Vereine zu Dresden“ Praxis im ganzen Königreich
(Abb . 1) [1, 2] . Der Verein wurde mit freier Auswahl des Nieder-
im Oktober 1842 durch acht lassungsortes . Ärz te zweiter
Ärzte gegründet und zählte Klasse durften sich nur an Or-
nach sechs Monaten schon 29 ten niederlassen, an welchen
Mitglieder [3, 4] . Bereits im Fe- es an promovierten Ärzten
bruar 1843 wurde eine Deputa- mangelte und standen zeitle-
tion beauftragt, „bei der Regie- bens unter spezieller Auf sicht
rung und der Ständeversamm- eines Bezirksarztes . Ein Stadt-
lung auf Aufhebung aller Unter- chirurg durfte seine Praxis nur
schiede in der wissenschaftli- unter Verantwortung eines le-
chen Erziehung und gesetzli- gitimierten Arztes ausüben .
chen Berechtigung der ver- Das Königreich Sachsen zählte
schiedenen ärztlichen Klassen damals 1 .724 .260 Einwohner .
durch eine gründliche Erörte- 653 legitimierte Ärzte und 507
rung dieser Frage hinzuwirken, Wundärzte wurden auf 3 .643
um in der Herstellung einer ein- Ortschaften ungleichmäßig
ziger Klasse von Ärzten die und besonders disproportional
Nachteile zu vermeiden, welche in den Städten und auf dem
dem Staat, den Medizinalper- Land verteilt .
sonen selbst und dem Publi-
kum auf gleiche Weise aus die- In Teil II der Schrift werden Be-
sem, weder wissenschaftlich zu weise erbracht, dass die Unter-
rechtfertigenden, noch gesetz- scheidung der Mediziner in Ärz-
lich aufrechtzuerhaltenden, un- te und Wundärzte sich wissen-
natürlichen Zustande erwach- schaftlich nicht rechtfertigen
sen .“ [5] lässt . Die Unterteilung der Heil-
wissenschaft in Medizin und
Obwohl die Broschüre anonym Chirurgie war ein historischer
herausgegeben wurde, waren Zufall und erlangte seine ge-
die Namen der Autoren den Abb . 1: „Zur Reform der Medizinalverfassung Sachsens“ (1845), setzliche Gültigkeit nur durch
Zeitgenossen bekannt . Die De- Titelblatt [1] die Macht der Gewohnheit .
putation bestand aus fünf Mit- Vom Standpunkt der Wissen-
gliedern des Vereins und der Text war Das I. Kapitel schildert die gesetzliche schaft aus sind Medizin und Chirurgie
dementsprechend „aus fünf verschie- Stellung und die Berechtigung der ver- Eines und die Chirurgie bildet kein be-
denen Federn geflossen“: Der I . Ab- schiedenen Klassen von Medizinern sonderes, schwesterlich neben der Me-
schnitt wurde von Prof . Dr . med . Her- sowie die statistischen Verhältnisse dizin dastehendes Wissenschaftsge-
mann Eberhard Friedrich Richter (Abb . ihrer Verteilung in Sachsen . Das ärztli- bäude . Es gibt nur eine einzige Heilkun-
2), der II . von Dr . med . Gustav Heinrich che Personal wurde damals in zwei de, nur eine Heilkunst . Geburtshilfe,
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