Page 30 - Ärzteblatt Sachsen, September-Ausgabe 2025
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MEDIZINGESCHICHTE
möglich und somit die Stellung des Chi-
rurgen praktisch unhaltbar und unna-
türlich . Oft war es notwendig, äußere
und innere Behandlungen zu verbinden .
Im ganzen Land konnte kaum ein Chi-
rurg gefunden werden, der sich trotz
des Gesetzes nicht um die Behandlung
innerer Krankheiten kümmerte . Die
Kontrolle und strenge Beaufsichtigung,
die durch Bezirksmedizinalbeamten
durchgeführt werden sollten, bezeich-
net der Verfasser als eine unausführ-
bare, illusorische und ihrem Zwecke
nicht entsprechende Maßregel .
Teil IV der Schrift zeigt, dass die Spal-
tung der Heilkunde in die beiden be-
sonderen Zweige Medizin und Chirurgie Abb . 6: Die Königlich-Sächsische chirurgisch-medizinische Akademie im Kurländer Palais am
und die darauf basierende Trennung Zeughausplatz (heute Tschirnerplatz) im Jahr 1845 [54]
des ärztlichen Standes nicht nur theo-
retisch unhaltbar und praktisch nicht weniger sei aber dieser Übelstand zu werbes . Eine gründliche, allgemeine
ausführbar war, sondern unvermeidlich vermeiden, wenn auf der einen Seite und klassische Vorbildung stellte eine
zu ernsthaften Nachteilen für die Medi- eine wissenschaftlich und gesetzlich Voraussetzung für das erfolgreiche
ziner, das Volk und den Staat führte . medizinische Studium dar und ein me-
Die ungleichmäßige Verteilung der Ärz- dizinisches Studium soll die Heilkunde
te in den Städten und auf dem Land Die ungleichmäßige in ihrem ganzen Umfang und in allen
verursachte eine nachteilige Situation Verteilung der Ärzte in ihren Zweigen umfassen . „Welchem
für die Landbevölkerung: „Wer will be- den Städten und auf Fache daher auch der Arzt künftig sei-
haupten, dass die Krankheit eines dem Land verursachte ne Kräfte widmen möge, ob er mehr der
Landbewohners nicht dieselbe wissen- chirurgischen Tätigkeit, der Geburtshil-
schaftliche Ausbildung erfordere, als eine nachteilige Situation fe, der Behandlung besonderer Krank-
die des Städters?“, „Oder glaubt man für die Landbevölkerung. heitsformen oder bestimmter Alters-
etwa, dass die Praxis auf dem Lande und Geschlechtskrankheiten sich zu-
oder in kleinen Städten weniger mora- wende, gleichviel, seine ursprüngliche
lische Würde, weniger Autorität erhei- höher berechtigte Klasse stehe, und Befähigung muss immer dieselbe sein .“
sche?“ Wenn die wissenschaftliche Bil- auf der anderen die niedriger gestellte Strenge Prüfungen, die alle Gebiete der
dung für unwesentlich gehalten wird, Klasse im zwar ungesetzlichen, aber Heilkunde umfassen, sollten die Ent-
zieht die Medizin aus der Reihe der faktisch unentreißbaren Gebrauche scheidung über die praktische Befähi-
Wissenschaften in die Klasse der derselben Rechte sich befinde . gung und Berechtigung des Arztes lie-
Handwerke herab . Die Unvollkommen- fern . Die Erlangung der Doktorwürde
heit des Gesetzes führte zu seiner Ver- Im V. Kapitel werden Vorschläge und hat eine bloß akademische Bedeutung
achtung, zur Geringschätzung der Ideen des ärztlichen Vereins zu Dres- und sollte nicht als ein Erfordernis zur
Pflichten gegenüber dem Staat, zur den für die Reform zur Organisation Lizenz der Praxis betrachtet werden .
Vernachlässigung bürgerlicher Oblie- des ärztlichen Standes geäußert . Es Nach Beendigung der akademischen
genheiten . Der Verfasser spricht über ging um eine Gleichheit, eine gleichmä- Studien sollte mehr als zuvor Gelegen-
die Gefahr der Zersplitterung des ärzt- ßige wissenschaftliche Befähigung aller heit geboten werden, sich praktisch
lichen Standes und der Unkollegialität: der Heilkunst sich widmenden Individu- weiter auszubilden . Hier war nament-
Es liege in der Stellung des Arztes an en . Es handelte sich für den Arzt um lich der Dienst in Hospitälern gemeint .
sich schon Stoff genug zu Rivalitäten das Studium einer Wissenschaft und „Freilich müssen dann auch unsere
zwischen Gleichberechtigten; noch weit nicht bloß um die Erlernung eines Ge- Krankenhäuser […] mit größeren Mit-
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